Wie stellt man sich einen kleinen Staat vor, der ca.450‘000 Einwohnern hat und ungefähr der Fläche des Kantons Bern entspricht? In der Rangliste der Länder nach ihrem BIP pro Kopf liegt Brunei, gemäss Google, auf Platz 9 und auf Platz 2 in Südostasien hinter Singapur. Das verdankt der Kleinstaat dem Öl- und Gasvorkommen. Der Sultan Hassanal Bolkiah und seine Familie führen ein Leben in Saus und Braus und stellen ihren Reichtum gerne zur Schau. Auch die Einwohner Bruneis profitieren in vielerlei Hinsicht. Bildung und Gesundheitskosten werden vollumfänglich vom Staat bezahlt und die Häuser kann man sehr günstig abbezahlen.

Ich stellte mir eine Mischung aus Marokko und Dubai vor. Die Realität ist ganz anders. Eigentlich ist es wie Malaysia, nur viel relaxter, aufgeräumter und organisierter. Und viel teurer. Bereits am Flughafen fiel uns auf, dass auch sehr viele Frauen wichtige Jobs innehaben: Als Immigration Officer, beim Zoll, als Taxifahrerin und im Geldwechselbüro. Brunei Darussalam ist sehr grün, die Strassen sind breit, es liegt kaum Abfall herum (ausser bei Ebbe in den Stelzenquartieren) und die Hauptstadt wirkt wie ein verschlafenes Provinznest, da kaum Fussgänger unterwegs sind. Die meisten Häuser sind maximal zweistöckig und Wolkenkratzer gibt es keine. Einzig auffallend sind die sehr grosszügigen, klotzigen Verwaltungsgebäude und die riesigen Moscheen mit den goldenen Kuppeln.

Damit wir von diesem Land möglichst viel mitnehmen konnten, haben wir uns für einen Tag einen Guide organisiert. Wir waren ganze zehn Stunden mit Mel unterwegs und er zeigte uns wirklich alles, was man in einen Tag reinpacken kann. Nebst vielen wichtigen Sehenswürdigkeiten hat er uns auch viel Spannendes über den Staat und die Sultan Familie erzählt. In den letzten Jahren kam Brunei immer wieder negativ in den Schlagzeilen. Der Bruder des Sultans hat über Jahre Geld unterschlagenen und in einem versteckten Palast zwielichtige Partys gefeiert. Zudem wurde im Jahr 2014 vom Sultan die Scharia eingeführt. Man muss aber dazu sagen, dass sie bis jetzt noch nicht aktiv ist. Die Umsetzung gestaltet sich als schwierig, da es für jedes Vergehen vier glaubwürdige Zeugen braucht. Glaubwürdig ist jemand erst, wenn streng nach muslimischen Regeln gelebt wird und das Vergehen direkt gesehen wurde.

Nebst den drei wichtigsten Moscheen der Hauptstadt Bandar Seri Begawan konnten wir das Grundstück und den Eingang des Sultan Palastes bestaunen. Es handelt sich um einen der grössten Paläste der Welt. Er umfasst 1788 Zimmer, 250 Badezimmer und die unterirdische Garage findet Platz für 110 Fahrzeuge. Vor der Pandemie war der Palast jedes Jahr im Anschluss an den Fastenmonat Ramadan für drei Tage der Öffentlichkeit zugänglich. Alle Besucher konnten sich kostenlos am Festmahl satt essen. Alle männlichen Gäste wurden vom Sultan begrüsst, alle weiblichen von der Königin.

Nach all diesen eindrücklichen Geschichten und Bauten stiegen wir in ein altes Holzboot und liessen uns auf dem Fluss durch die Mangroven fahren auf der Suche nach Krokodilen und Nasenaffen. Es stellte sich heraus, dass unser Kapitän ein kleiner Raser mit gutem Auge war. Endlich konnten wir die lustigen Affen aus der Nähe beobachten.

Später spazierten wir durch das Stelzendorf Kampun Ayer. Obschon täglich das Abfallboot durch das Dorf fährt, ist der alte Teil eine einzige Müllhalde. Im neuen Teil ist es etwas gepflegter, aber auch hier wird durch Ebbe und Flut sehr viel Abfall angespült. Das Dorf ist komplett ausgestattet mit Feuerwehr, Polizei, Schulen, Sportplatz, Restaurants, Fitnessstudios und kleinen Geschäften. Einfach alles auf Stelzen.

Es läuft allgemein nicht viel und die Menschen sind sehr genügsam. In der Freizeit sitzt man gemeinsam auf der Terrasse oder verkriecht sich in klimatisierte Innenräume wie beispielsweise Shoppingmalls. Schon mehrmals wurden wir zum Karaoke Singen eingeladen, das scheint eine der Lieblingsbeschäftigungen zu sein. Wir haben dankend abgelehnt. In den späten Nachmittagsstunden haben wir viele Menschen vor der alten Moschee beobachtet, die dort auf Plastikhockern sassen und den Kindern stundenlang beim «Seifenblätterlen» zuschauten.

Rechtzeitig zum Sonnenuntergang waren im beim Hotel «The Empire» in Jerudong. Ein Luxushotel der Extraklasse. Das teuerste Hotel Bruneis und sie vermarkten es als 7-Sterne Hotel. Es hatte sogar eine Rolltreppe innerhalb des Hotels…
Nach den königlichen Stallungen, dem Vergnügungspark und dem königlichen Golfplatz steuerten wir als Abschluss den Nachtmarkt an. Mit Mel an unserer Seite hatten wir einen Kenner dabei und er konnte uns viele nützliche Tipps und Tricks zu all den fremden Gerichten geben. Hie und da kauften wir etwas ein und setzten uns dann an einen Tisch mitten im Getümmel. Das Essen war sehr lecker! Mel kaufte sogar eine Durian. Eigentlich war es eben nicht eine klassische Durian, sondern eine Unterart davon. Den Namen haben wir vergessen, aber sie hat unerwartet gut geschmeckt. Während dem gemütlichen Beisammensitzen spürte ich plötzlich etwas Nasses in meinem Schuh. Wir haben nichts ausgeleert, also woher sollte das kommen? Bei genauerem Betrachten musste ich feststellen, dass nicht nur mein Schuh und mein Fuss, sondern auch das Hosenbein nass waren. Daneben stand ein streunender Kater – ich wurde markiert!

Mein grosser Rucksack, den ich von Ändu ausleihen durfte, ist leider auch an Altersschwäche gestorben. Er verbringt nun seinen Lebensabend in Brunei. Und ich reise jetzt, mangels Alternative, mit einem Koffer weiter.

5 Kommentare

  1. Barbara Nydegger

    So spannend! Vielen Dank für euer Reisetagebuch! Ich sitze jetzt bei gefühlten 37 Grad im Schulzimmer und sollte endlich für morgen etwas vorbereiten. Die Kinder probieren zu arbeiten, liegen aber in den Pulten wie tote Fliegen und warten mehr oder weniger, dass Pause ist oder Zeit um nach Hause zu gehen. Tote Fliegen hat es aber auch. In der letzten Ferienwoche fand ich hunderte kleine Fliegen tot oder noch lebendig in meinem Schulzimmer. Auch ein paar Schaben gab es zu bestaunen. Jetzt ist der Insektenspray in allen Ritzen. Hoffentlich hilft es!
    Euch weiterhin schöne Reise! Liebe Grüsse Barbara

  2. Beyeler Giovanna

    Opulence totale ! Impressionnante architecture ! Un vrai contraste avec ce que vous avez vécue avant.
    Est-il possible pour un non musulman de visiter une mosquée ? A ce qu’il paraît, les plus belles mosquées du monde sont à Brunei.
    Profitez un maximum. En pensées avec vous.
    Liebe Grüsse. Gio

    • Ja, die Moscheen können von allen besucht werden. Jedoch darf man nur einen kleinen, für Besucher abgesperrten Bereich betreten. Und frau muss sich in einen Mantel mit Kapuze hüllen. Auch Männer mit Shorts müssen einen Mantel oder einen Sarong anziehen.
      Da wir an einem Freitag diese Tour gemacht haben, konnten wir die grosse Moschee nicht besuchen. Am Freitagsgebet ist die grosse Moschee für Nicht-Muslime gesperrt. Spannend war auch, das der Sultan in der Regel jeden Freitag in der grossen Moschee mit dem Fussvolk am Gebet teilnimmt. Zwischen 12 Uhr und 14 Uhr werden an diesem Tag nirgends Getränke oder Malzeiten serviert. Im Hotel konnten wir immerhin Wasser bestellen 😅.

  3. Elisabeth Baeriswyl

    Hallo zusammen, welch wunderschöne Reisegeschichte aus Brunei! Herzlichen Dank für ALLES.
    Seit Freitag sind wir zu viert in Ascona. Nachts begann das Unwetter. Die 4cm-Durchmesser Hagelkörner zerstörten viele Pflanzen und hunderte Autos. Wir haben „Glück im Unglück“, denn ausser Blechschaden ist nichts. Unermüdlich sammeln wir Wasser zusammen, dass unsere Wohnung nicht überschwemmt wird. Wir können zum Glück noch fahren. Na ja, ab Dienstag sollte es besser werden.
    Dies ein kleines Beispiel aus einer für euch fremden Welt….
    Häbets guet und liebi Grüess
    Elisabeth und Vreni

  4. Okay, so rule34video… well, you probably know what to expect. Enter at your own discretion dudes. I’m not sure if I should be recommending this haha. rule34video

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